
Interview
Die Fragen stellte
Jennifer Nikolaus,
98.5 Radio Bochum
Was wollen Sie mit der Luftpumpenaktion
ausdrücken, was wollen Sie erreichen, worauf wollen Sie aufmerksam machen?
Mit meiner "Luftpumenaktion" drücke ich von Anfang an meinen ganz
persönlichen Unmut über Dinge aus, die ich auch bei genauerer Betrachtung
einfach anders sehe und anders behandelt sehen möchte. Natürlich kann man
das Verständnis für Kunst auch an einer Luftpumpe erproben, es sei denn, man
weicht von der Definition für Verständnis oder Kunst ganz vom allgemeinen
Sprachgebrauch ab. Die Behauptung, das das nicht ginge, hat mich vor 20
Jahren zu meiner Aktion herausgefordert. Mein Kunstverständnis wurde in der
Auseinandersetzung mit van Gogh in der Schulzeit geprägt und floss auch
damals in meine malerische Praxis ein. Ein Feld aus gelben Luftpumpen, die
freie Rekonstruktion des Weizenfeldes, in dem er sich erschossen hat, ist
deshalb meine Hommage an van Gogh. Seinen Geist, die Authentizität und das
Ringen suche ich vergeblich in heutigen Werken der Kunst. Alles aalglatt und
für den Kunstmark gestylt. Das erinnert mich mehr an Geisterbahn. Wo ist da
die Authentizität? Natürlich kann man mir vorwerfen, dann beschäftigst Du
dich eben zu wenig mit dem betreffenden Kunstwerk. Meine Gegenfrage wäre
dann aber die, warum fordert mich dieses Kunstwerk so mangelhaft zu einer
Zuwendung heraus? Warum macht es mich nicht neugierig?
Kann das Luftpumpenfeld immer wieder neue
Bedeutungen annehmen, indem es auf verschiedene gesellschaftliche Probleme
aufmerksam machen soll?
Aus meiner Sich ja, denn Unmut stellt sich bei mir bei ganz verschiedenen,
auch andere Menschen bereffenden Angelegenheiten ein. Da die
Luftpumpenfeldaktion - ich brauche ja mindestens 30 000 Luftpumpen - von
Anfang an auf die Hilfe von Lufpumpenspendern angewiesen war, habe ich in
Aufrufen immer wieder versucht, ebenso Betroffene dahingehend zu motivieren,
ihren Unmut per Zusendung von Luftpumpen an mich auszudrücken, sich auf
diese Weise Luft zu machen. Das fing damit an, das ich 1987 den Vorschlag
machte, das Feld bei der Dokumenta 8 in Form eines Fragezeichens aufzubauen.
Oder ich habe 2000 den Vorschlag gemacht, das Feld auch als
Gesundheitsmahnmal zu nehmen, frei nach dem Motto, hätte die Kasse die
richtigen Medikamente für van Gogh bezahlt, hätte er sich nicht erschossen.
Eine ganz aktuelle Problematik, wenn ich daran denke, das kurzwirksame
Insulinanaloga jetzt auch bei Typ-1-Diabetikern von der Speisekarte
gestrichen werden. Völlig unverständlich, da sind auf einen Schlag 300 000
Diabetiker betroffen! Wenn die jetzt alle eine Luftpumpe schicken oder
besser eine ausgefüllte Karte,das wäre doch toll. Aber leider ergeben sich
viele einfach in ihr Schicksal, glauben nichts ändern zu können. So ein
Verhalten passt eigentlich nicht ins Revier.
Sie sammeln seit 20 Jahren Luftpumpen für das
Luftpumpenfeld. Wie ist die Idee entstanden?
Die Idee hat mich förmlich aus heiterem Himmel beim Anblick des Bildes
"Weizenfeld mit Raben" im Kröller Müller Museum durchfahren. (Das
Kröller-Müller Museum ist ein Kunstmuseum nahe der Ortschaft Otterlo in den
Niederlanden, nord-westlich von Arnheim.) Ich wusste sofort, dass diese Idee
gut ist. Zuvor war mir in einem Buch der Satz begegnet " ...andererseits
würden wir nicht auf die Idee kommen, das Verständnis für Kunst an einer
Luftpumpe zu erproben..." Was für ein großer Quatsch, wie man schon jetzt
sieht.
Welche Bedeutung hat der Fall Nokia für Ihre
Aktion?
Mich ärgert, dass der Fall Nokia so schnell aus den Schlagzeilen
verschwindet. Als ob das Problem für die betroffenen Arbeiter gelöst wäre.
Mich ärgert, dass so etwas anscheinend von vorneherein von dem
Handyhersteller mit einkalkuliert wurde. Schnee von gestern, wer
interessiert sich in einem halben Jahr noch dafür oder gar 2010. Dagegen
wehre ich mich. Jeden, den ich gesprochen habe, stört das Verhalten von
Nokia. So geht man nicht mit einer Region, mit den Menschen um, die dort
leben. Der Fall Nokia sollte meiner Ansicht nach ein Testfall für das
Ruhrgebiet werden. Die Menschen können zeigen, dass sie, wenn es nötig ist,
mit einer Stimme sprechen können. Ob sie nun in Duisburg wohnen oder in
Bochum. Durch ihr Engagement können sie dafür sorgen, dass sich so etwas
nicht wiederholt. Wenn das Land Subventionen gezahlt hat, dann ist das auch
mein Geld und es wurde einfach schlecht angelegt. Ich, wir müssen jetzt auch
noch die Zinsen dafür bezahlen. Deshalb habe ich dazu aufgerufen, sich auch
noch nach 2 Jahren mit der Luftpumpe gegen ein solches Vorgehen zur Wehr
zusetzen, dann wenn sonst niemand mehr daran denken würde, dass es Nokia
einmal in Bochum gab. Das Formular für die Beteiligung findet man unter
www.luftpumpemfeld.de . Die Adresse auch. Einfach ausfüllen und zusenden,
per Post. Dann hat man einen Haufen Briefe, den man wieder zeigen kann, in
die Zeitungen bringt und die Spannung und das Thema halten sich, bis dass
das Luftpumpenfeld dann tatsächlich steht.
Sie haben ein Musical über den Fall Nokia
geplant. Stecken die Vorbereitungen dazu noch in den Kinderschuhen? Worum
wird es in dem Musical gehen? Wer macht mit?
Da muss ich etwas ausholen. Es hat mir im vergangenen Jahr viel Spaß
gemacht, ein kleines Gedicht über die Luftpumpe "Lin" zu schreiben, nachdem
ich mir als Namen für das Ruhrgebiet "Ruhrlin" ausgedacht hatte. Das "Lin"
kommt von unserer Hauptstadt Berlin. Der Text wurde von Lou Portuondo
vertont und gesungen und stieß überall auf soviel positive Resonanz, dass
ich Scherzhafterweise schon mal ein Musical zu dem Thema ins Gespräch
gebracht habe, ohne genaue Vorstellungen über die zugrunde liegende
Geschichte zu haben. Dann fiel mir diese Geschichte ein, bei der Luftpumpen
wirklich zum Hoffnungsträger für das Revier werden. Die Geschichte steht.
Sie bezieht den Fall Nokia mit ein. Sie ist sehr lebendig und die Liedtexte
werden es sicher auch. Und auch die Bühnenbilder habe ich schon im Kopf.
Wenn jemand bessere Ideen hat, sind sie zugelassen. Fertig und festgezurrt
ist sonst noch nichts. Es muss auch nicht alles aus einem Guss sein. So
könnte ich mir z.B. gut vorstellen, dass Lieder, auch wenn sie im Musical
von der gleichen Person gesungen werden, aus den Federn verschiedener
Komponisten kommen. Ich kann mir sogar vorstellen dass unterschiedliche
Personen in die Rolle der gleichen Person schlüpfen. Sollte also in dem
Stück ein Apotheker vorkommen, der 10 Lieder vorträgt, dann könnten das
durchaus 10 verschiedene Personen sein, die möglicherweise das Lied, das sie
vortragen, komponiert oder auch textlich etwas umgeschrieben haben. Alles
ist möglich. Jeder kann sich beteiligen. Grundsätzlich ist auch Herbert
Grönemeyer herzlich eingeladen. Es muss sich nur `rum sprechen. Die
Ernsthaftigkeit des Anliegens muss gesehen werden und die große Chance, die
in seiner Durchführung liegt. Das Musical soll unterhalten, weil nur so die
Botschaft am Ziel ankommt und die Saat nach der Vorstellung aufgeht. Was ich
also brauche, sind Leute, die komponieren können und wollen und dies aus
Freude in der Gruppe tun, die möglicherweise schon Erfahrungen in diesem
Bereich haben, dies bisher nur im Schulunterricht gemacht habe, danach oder
zum Teil parallel Sänger und Sängerinnen mit den gleichen Ambitionen. Die
Belohnung kann vorerst nur der Applaus des Publicums sein. Alles weitere,
wie Proberäume etc ergeben sich meiner Ansicht nach von selbst, wenn das
Unternehmen erst einmal angelaufen ist und der Fortschritt sichtbar ist. Die
Aktion wird auch davon leben, dass laufend über diese Fortschritte berichtet
wird.
Was wird man auf der Ruhr 2010 sehen?
Nun, es gibt inzwischen verschiedene Szenarien in meinem Kopf. Was sich
davon durchführen lässt, wird sich zeigen. So hat mir z.B. Frank Dopheide,
der auch für den neuen Ruhrgebietsslogan zuständig ist, geschrieben, dass er
mir als Werber empfiehlt, den weltgrößten Luftpumpenhersteller direkt
anzusprechen, um an die 30 000 Luftpumpen zu kommen. Mit dem Versprechen,
ihm weltweite Aufmerksamkeit zu schenken. Dann wären nach meiner Ansicht die
Luftpumpen, die mir am Ende aus Protest gegen Nokia oder anderen Gründen
geschickt werden, die Sahne auf dem Luftpumpenfeld. Ich brauchte mich
folglich nicht mehr um den Kuchen zu kümmern.
Eines ist für mich jedenfalls klar. Mein Luftpumpenprojekt schließe ich 2010
auf jeden Fall ab. Und ich werde es positiv tun. Selbst wenn ich mehr
wüsste, würde ich es an dieser Stelle noch nicht kundtun, weil es auch darum
geht, eine gewisse Spannung aufzubauen. Nur soviel: nach wie vor kann jeder
Bürger im Revier seine Ideen in dieses Projekt einfließen lassen.
Informationen hierzu gibt es unter www.luftpumpenfeld.de. Es wird sich alles
da ereignen, wo die besten Rahmenbedingungen angeboten werden, vielleicht
aber auch an verschiedenen Orten, nacheinander, zeitgleich man wird sehen.
Als nächstes werde ich mich in dieser Angelegenheit an die Bürgermeister der
Städte wenden.
Was bedeutet das Ruhrgebiet für Sie?
Gefühlte 99,9 % meines Lebens habe ich mich hier aufgehalten. Also
vordringlich Lebensraum. Meine Apotheke steht in Meiderich. Also Einkommen.
Urlaub kann ich mir aus betrieblichen Gründen nicht leisten, der letzte
liegt 9 Jahre zurück, also Ferienziel und Freizeitspaß zugleich. Meine
Familie, meine Freunde wohnen hier. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich
auf Dauer auf einem anderen Platz in der Welt zurecht käme. Ich brauche kein
London, Paris oder New York, um wer zu sein. Das Ruhrgebiet bringt`s. Klingt
wirklich fast wie ein Spruch aus der Werbung. Trifft aber zu
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